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Exhibition design competition:
Scenographical concept and sketches
© juliette israël 02.02.2017

Jerusalem
Jewish Museum Berlin

 

Grundgedanke des Vorschlags für die Szenografie der Ausstellung “Jerusalem” ist es, die Stadt in ihren spezifischen Eigenheiten sinnlich erfahrbar zu machen. Dies soll vor allem durch die Fokussierung auf zwei Aspekte erreicht werden, die die Atmosphäre der Stadt bestimmen. Durch das Prisma des Stadtraums als Gefühlsraum soll die Bedeutungsgeschichte Jerusalems den Ausstellungsbesuchern in einem assoziativen Parcours vermittelt werden. / Zirkulation und Sound in Jerusalem /

Zirkulation – Mauern und Passagen
Prägnante architektonische Merkmale Jerusalems sind seine Mauern und Passagen, an denen die Geschichte und die politische Situation der Stadt ablesbar sind. Gleichzeitig bestimmen sie in besonderer Weise, wie die Bewohner und Besucher Jerusalems durch die Stadt zirkulieren. In der Ausstellungsarchitektur finden diese Merkmale dadurch Einzug, dass die vorhandenen Ausstellungsräume durch eingebaute Korridore stark verändert werden. Die Besucher zirkulieren in der Ausstellung durch die Korridore. Durch verschiedene Ein- und Ausgänge können sie diese verlassen und befinden sich dann in den Ausstellungsräumen. Die Korridore stellen im Inneren Passagen dar, auf der Aussenseite die Mauern der Stadt. An bestimmten Stellen werden u.a. großformatige, raumhohe Papiercollagen der repräsentativen Mauern Jerusalems tapeziert (Abschnitte der Trennungsmauer, der Stadtmauer, des Kotels)


Soundscape
Während an der Aussenseite großflächig Visuelles dominiert, fehlt dieser Aspekt im Inneren der Korridore komplett. Im Inneren erwartet den Besucher eine Klanginstallation: eine Soundcollage der verschiedenen Klangkulissen, die Jerusalem zu bieten hat. Diese soll so verschiedene Bereiche des Alltags erfassen, wie z.B den Verkehr, den Klang der Schritte und deren Echos in den Passagen, die Stimmung auf Märkten oder an heiligen Stätten, Gespräche oder Streitereien zwischen den Bewohnern / Besuchern der Stadt. Daneben auch sehr schwer zuzuordnende stille Gesten wie z. B. das Ablegen von Steinchen auf Gräbern oder die Stille auf dem Ölberg. Ohne zugehörigen Kontext, d.h. Visualisierung der Geräuschproduktion befindet sich der Besucher in einer Situation, in der er sich selbst ein Bild des Gehörten machen muss. In den Korridoren bietet sich dem Ausstellungsbesucher somit ein atmosphärisches Stadtbild, ein assoziativer Parcours.


Kaleidoskop einer geteilten Stadt: Jerusalem und die Aushandlung des Raumes
Durch den Einbau der Korridore werden die vorhanden Ausstellungsflächen im Museum stärker segmentiert als üblich. Die Anzahl an Räumen und gleichzeitig auch die Anzahl an Blickachsen und visuellen Verbindungsmöglichkeiten vervielfacht sich dadurch. Es entstehen zum Teil kleinere Räume in denen einzelne Exponate oder kleinere Exponatgruppen isoliert gezeigt werden können, die aber trotzdem über Öffnungen, Einschnitte und Durchgänge entlang des Korridors im visuellen Zusammenhang mit anderen Objekten / Themenkreisen stehen. Indem die Objekte isoliert oder in kleineren Gruppen gezeigt werden, können sie ihre Aura besonders entfalten, da die Wahrnehmung des Betrachters durch diese Fokussierung konzentrierter ist. Gleichzeitig wird die Entdeckungsfreude über das Spiel mit Blicken durch Achsen und Perspektivenwechsel gesteigert.


Papier- und Soundcollagen
Auffallendstes Merkmal des Gestaltungsvorschlags für die Ausstellung “Jerusalem” ist das Collagenprinzip, daß der Gegenüberstellung von Alltagsrealität und Erhabenem / Symbolischem folgt. (In diesem Sinne zeigen Fototapeten beispielsweise Teile der Trennungsmauer, sind aber auf goldene Wände aufgebracht.) Gold und Staub. Während im staubfarbenen, dunkelgehaltenen Inneren der geplanten Korridore Geräusche des Stadtlebens collagiert sind, werden an den funkelnden goldenen Aussenwänden Fragmente aus Fotos, wie man sie aus der Berichterstattung der internationalen Presse über Jerusalem kennt, großformatig collagiert. Diese Collage entlang der Wände soll die Vielfalt der Bevölkerung Jerusalems darstellen: die Bildfragmente stellen Personen (im 1:1 Format) vor, deren Gesichter meist nicht wirklich erkennbar sind, dafür soll ihr Habitus hervortreten (z.B. Soldaten, Menschen mit religiösen Merkmalen, Pilger, Touristen, etc...)

Die Bedeutung von Jerusalem für die drei Monotheismen soll in der Ausstellung, wie in der Stadt selbst, nicht zu überhören sein: In drei miteinander kommunizierenden Ausstellungsbereichen ertönen sporadisch aber deutlich hörbar die jeweiligen Gebetsrufe (Shofar/Sirenen, Muezzin und Kirchenglocken) mal vereinzelt, mal in regelrechtem Wettstreit. Verlässt man den Bereich der Religionen gelangt man in einem Raum, in dem sich zwei Friedhöfe in Form von großformatigen raumhohen Wandcollagen gegenüberstehen. Entsprechend der realen geografischen Situation, blickt man auf der einen Seite auf den jüdischen Friedhof am Ölberg und auf der gegenüberliegenden Seite auf das Goldene Tor, vor dem sich ein moslemischer Friedhof befindet.

 
© juliette israël 02.02.2017

Jerusalem ist das Thema einer großen Ausstellung, die am 10. Dezember 2017 eröffnet wird. Sie ist einer Stadt gewidmet, die seit zweitausend Jahren als heiliger Ort von Jüd*innen, Christ*innen und Muslim*innen verehrt wird und zugleich seit Jahrzehnten im Brennpunkt der Auseinandersetzung zwischen israelischen und palästinensischen Interessen steht. In seiner langen Geschichte hat Jerusalem wechselnde Herrschaften erlebt, die die Stadt jeweils kulturell formten und sich deutlich in Baugeschichte und Physiognomie eingeprägt haben.// Von Beginn an war Jerusalem eine Stadt der Reisenden, deren Versorgung das Wirtschaftsleben und die Infrastruktur der Stadt bestimmten. Die Pilger*innen kamen auf Wallfahrt zu den großen Festtagen hierher, dazu Abenteuerlustige und andere Reisende und heute auch Tourist*innen aus aller Welt. Nirgendwo sonst sind Politik, Religion und Stadtgeschichte so eng miteinander verflochten wie hier.// Um die einzigartige Bedeutungsgeschichte Jerusalems freizulegen, versucht die Ausstellung sowohl die historischen wie auch die gegenwärtigen Interessenlagen und Triebkräfte zu entziffern und deren politische, religiöse und ethnische Motive aufzuzeigen.// Die Ausstellung spannt einen weiten Bogen von der Herodianischen Stadt des Zweiten Tempels bis zur Gegenwart. Ein besonderes Augenmerk gilt den Beziehungen, die sich seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert zwischen Jerusalem und Berlin ausgebildet haben.// Die Themen werden mit historischen Objekten, Kunstwerken, Arbeiten zeitgenössischer Künstler*innen sowie mit Rauminszenierungen und medialen Installationen dargestellt. (www.jmberlin.de)